Sparring für Boxanfänger

Kämpfen und Sparring sind zweierlei. Kämpfen zerstört aber Sparring bringt neue Fähigkeiten hervor. Willst du ein besserer Boxer werden ? Ohne verprügelt zu werden ? Lerne das Sparring richtig.

SPARRING FÜR BOXANFÄNGER

Nun reicht euch die Hand !

 

Gerätetraining entwickelt die Technik allein.
Das Training im Boxring entwickelt die kämpferischen Fähigkeiten.

Das Sparring ist wohl der wichtigste Teil des Trainings eines jeden Boxers. Da lernt er das echte Kämpfen. Das Sparring ist mehr als Schlagen und Verteidigung. Da entdeckt er was klappt und was schief geht. Da kann er seine Aufmerksamkeit auf Fehler richten, die dringend erledigt werden müssen. Leider haben viele Anfänger nicht die Chance so zu lernen ; durch monatelang falsch gerichtetes Training entdecken sie nur ihre Härte. Ich habe gesehen, wie oft Einsteiger in das Boxen geprügelt werden ; es ist mir aufgefallen, dass die meisten von ihnen keine Ahnung vom Sparring haben.

Wenn du mit dem Boxen anfängst, geht es vielleicht auf diese Weise ? Du trittst in die Turnhalle ein, du lernst die Grundlage des Sports wie Beinarbeit, Schläge und Verteidigung. Bald fragst du, “Wann darf ich kämpfen ?” Davon hast du lang phantasiert. Du willst alles schlagen, was sich bewegt. Sparring ? Das interessiert dich gar nicht. Den Sandsack verprügeln ? Damit hast du es satt. Du bist auf Streit aus. Du willst in den Ring. Du willst es wie Mike Tyson machen. Oder bist du ein Kämpfer von einem anderen Schlag ? Du versuchst es mit dem Boxen, um deine Ängste zu überwinden ; du bist in das Boxen als intellektuelles Spiel verliebt. Das schlagfertige Denken und die Entscheidungen, die innerhalb Sekundenbruchteilen gefällt werden müssen, behagen dich sehr. Boxen ist für dich kein körperlicher Kampf. Boxen ist vielmehr ein Videospiel und du bist der Spieler. Ob Kämpfer, ob Spieler, ist das Ergebnis immer dasselbe :- ein Trainer steckt dich in den Ring und sagt, “Kämpfe, bloss kämpfe”. Zwar weist er dir an, “Leicht schlagen !” Sagt er das Gleiche deinem Gegner ? Du schlägst leicht, doch plötzlich greift er dich hart an, so wirst du gezwungen, ihn zurückzuschlagen. Es erhebt sich jählings eine Rauferei.

Eines Tages hast du Glück : der andere Typ ist nicht so fähig wie du. Kaum kann er sich gegen dich wehren, so schlägst du ihn zusammen, gemäss Anweisung. Heute bist du stolz auf deine gewaltigen Treffer. Morgen wirst du jedoch der Unterlegene, weil der Trainer dich in den Ring steckt gegen einen langen Kerl, der kämpfen mag. Diesmal geschieht es anders. Der Typ kümmert sich keineswegs um dein Wohlergehen. Er lässt sich nichts daran hindern, dich zu erledigen. Verwammst als unerfahrenener Boxer zu sein, macht keinen Spass. Du bist nicht in einem Rocky-Film. Schneid haben ? Macht nichts aus. Je härter du schlägst, desto härter wirst du geschlagen. Verlieren oder verprügelt werden ? Das ist keine Wahl für einen Anfänger. Eigentlich trifft der Gegner die Wahl für dich.

Es ist wirklich dumm, junge Boxer sich vernichten zu lassen. Die Trainer, die so etwas erlauben, vernichten den Boxsport selbst. Ich verabscheue von Herzen solche Männer, die so böshaft mit Anfängern umgehen. Zwar gibt es Trainer, die die Kenntnisse haben, Boxer vom bedingten zum freien Sparring allmählich zu befördern. Dennoch halten zu viele Trainer eine Verprügelung für eine Notwendigkeit, um herauszufinden, ob ein Anfänger tapfer genug ist, erfolgreicher Boxer zu werden. Meines Erachtens ist diese vermasselte Methode das Merkmal eines sehr schlechten Lehrers. Diese Verfahrensweise ist der Hauptgrund für den derzeitigen Verfall der Beliebtheit des Boxens. Man trainiert Anvertraute niemals auf diese Weise. Der erste Sprung eines Skateboardfahrers ist nicht vom Dachfirst hernieder. Turner beginnen nicht mit einem Salto rückwärts, um zu zeigen, dass in ihnen etwas steckt. Warum soll ein Boxanfänger grosse Fertigkeit im Ring beweisen, bevor er die Gelegenheit hat, boxen zu lernen ? Manche Trainer wollen sich nicht mit Anfängern beschäftigen, die sich nicht als sehr angriffslustig erweisen. Meiner Meinung nach, kann so eine Gesinnung Siege in der Turnhalle aber wenig Erfolg bei den Meisterschaftskämpfen bringen. Ich kann nicht umhin zu behaupten, dass jeder Strassenkämpfer bei Schlagereien in der Turnhalle mit geübten, hinterlistigen Tricks gut herauskommen kőnnte; so ein Raufbold im Kampf bei den “Golden Gloves” würde mit seinem Übermut und seinen wilden Schwingern keinen Erfolg haben. Das kann ich dir versprechen !

 

Sparring ist nicht bloss Kämpfen.
Sparring heisst die Fähigkeiten entwickeln und nicht einen “Gewinner” bei jeder Runde suchen.

Die Wahrheit liegt darin :- lerne das Sparring richtig, so wirst du schneller ein guter Boxer werden. Es ist eine Zeitverschwendung, bei jeder Runde nach einem Sieg zu streben. Siegen ist leicht : man braucht nur ein paar immer erfolgreiche Tricks auf schwächere Gegner wiederholt zu verwenden. Bei gut gerichtetem Sparring ist ein bisschen Selbstbeherrschung erforderlich, weil alle Boxer sich auf die Fähigkeiten konzentrieren sollten, die augenscheinlich mangelhaft sind. Ja, du wirst dann und wann von Treffern erwischt werden, aber dann wirst du lernen, davor auf der Hut zu sein. Planmässiges Sparring unter strenger Aufsicht gibt dir die Freiheit, Fähigkeiten zu verbessern, ohne dass du verprügelt wirst, wenn du einen Fehler machst.

Unterliegst du deinem Gegner beim Sparring :
  • Sei nicht zu eitel zu gestehen, dass du nicht mithalten kannst, dass du ein mässiges Tempo und leichtere Schläge brauchst. Wenn du dich vor harten Schlägen fürchtest, muss das Sparring langsamer gehen. Du bist kein Waschlappen, wenn du mehr Zeit brauchst, dich daran zu gewöhnen. Du bist es dir schuldig, dir eine FAIRE Chance zu gewähren, bei dem Sparring etwas zu lernen.Von einem besseren oder natürlicher begabten Boxer verprügelt zu werden, zeigt, dass du nur weisst, regelrecht verarscht zu werden. Da ist doch nichts dabei, deinem Partner zu sagen, “Du gehst zu schnell”. Du kannst auch sagen, “Bitte, gib mir Tipps. Welche Fehler mache ich ?” Vielleicht kennt er dich besser als Boxer als dein Trainer : immerhin ist er dein Gegner. (Oft kommt die Gelegenheit, mehrere Runden Sparring in eine freundliche Klasse umzuwandeln !)
  • Sei bescheiden. Tue nicht als ob du der Beste in der Turnhalle wärst, sogar wenn es die Wahrheit ist. Hab Achtung vor Anderen. Zeig dich erkenntlich für ihr Wissen und ihre Hinweise. Anfänger sind nie zu geübten Boxern in einer Nacht geworden, ohne dass sie vieles von Erfahrenen lernen. Lass alle Kampfhandlungen langsamer gehen, um die Form, die Technik und die Bewegungen des Gegners bis in die kleinste Einzelheit studieren zu können. Somit kannst du gleichzeitig auf die Lücke in deiner eigenen Technik achten und alle Öffnungen decken.
Wenn du dem Gegner beim Sparring überlegen bist :
  • Sei doch nicht ein Schuft ! Lass deinem Partner den Spielraum zurückzukämpfen. So vergrössern sich deine Fähigkeiten auf zwei Ebenen :- 1. der Partner bekommt eine Chance zu lernen und besser zu werden. Du bekommst einen Partner, der dich ein bisschen anstrengen kann ; 2. du wirst ein grosszügigerer Boxer, da du einen selbstsicheren Gegner haben willst.
  • Du willst probiert werden ! Überwaltige deinen Partner nicht. Wirf ihn aus dem Rennen nicht. Du brauchst ein lebhaftes Geschöpf, das dich mit mancherlei Stössen anschlägt, die dein technisches Können hervorrufen . Es bedarf keiner Angeberei vor Anfängern. Die macht einen Eindruck auf Anfänger allein. Fortgeschrittene lassen sich nicht so leicht beeindrucken.
  • Trickreife Handlungen und KO-Schläge sind den Teilnehmern in öffentlichen Kämpfen vorzubehalten. Wenn du in so einem Wettkampf bist, hoffst du natürlich auf eine KO-Niederlage für einen aus dem Rennen geworfenen Gegner. Du willst den Typ verprügeln, um ihm die geringste Chance vorzuenthalten, dich zurückzuschlagen. Hab Respekt vor deinen Sparringspartnern, so haben sie Respekt vor dir. Die werden immer bereit, dir auf jede mögliche Art zu helfen. Die mögen einige nutzbare Tips geben, weil sie keine Angst davor haben, dass du von ihnen Gebrauch machst, Partner im Ring zu misshandeln.

Ich bitte nicht um gefesselte Hände, um alles schwierig für dich zu machen ; ich lade dich einfach ein, deinem Partner den Spielraum zu gestatten, seine Fähigkeiten vorzuführen.

Du willst immer das Beste aus deinem Boxpartner,
damit er das Beste aus dir herausholt.

Ja, ich verstehe, dass das Sparring mindestens eine Nachahmung harter Wettkämpfe sein sollte, eine Vorbereitung auf uneingeschränktes Kämpfen. Meines Erachtens ist so ein Vorgehen im Ring nur für Boxer, die daran gewöhnt sind. Anfänger sind gar nicht auf dieser Ebene; daher muss die Schärfe des Sparrings für sie streng kontrolliert werden.

Leichtes und kontrolliertes Sparring bietet den Partnern, die Chance das lernen zu können, was sie bessere Boxer macht. Hier bringe ich dir einige Übungen für das Sparring aus den besten Turnhallen hervor, die ausgezeichnete Ergebnisse für Anfänger bringen können. Nimm dir die nötige Zeit, jede Übung zu geniessen. Obwohl ich seit Jahren boxe, habe ich noch Freude an einfachen linken und rechten Geraden sowie an dem Herumblödeln mit meinen Boxpartnern.

 

Wie man zuhause im Ring wird

Zunächst kommt die Aufgabenstellung durch den Trainer oder durch die Partner selbst. Ohne Aufgabenstellung ist das Sparring nur ein Wettkampf und daraus kann sich eine Schlägerei ergeben. Nach einer geschickten Partnerauswahl, können bestimmte Bedingungen dem einen oder beiden Partnern gestellt werden. Anfangs sind sie sehr einfach :-

Schläge gegen einen erfahrenen Boxer

Eine grossartige Methode einen Neuling in das Boxen einzuführen, ist ihm Schläge gegen einen erfahrenen Boxer oder Trainer zuzulassen, indem der Erfahrene nicht zurückschlagen darf. Dies klappt nicht wenn der Neuling gegen einen Anfänger gestellt wird, der ein bisschen fortgeschrittener ist, da der Anfänger, falls er getroffen werden sollte, wild herumschlagen könnte. Gelegentlich sollen Hinweise über Form, Angriff und Verteidigung dem Neuling erteilt werden.

Das Schattenboxen im Ring

Zwei Männer, die nie vorher geboxt haben, sind nicht daran gewöhnt, gegeneinander gestellt zu werden. Erstens muss das Schattenboxen gedrillt werden. Zwei Neulinge üben gegeneinander im Ring. Sie sind um 16cm bis 30 cm getrennt, damit keine Schläge landen, aber sie bewegen sich innerhalb des Ringes als ob sie kämpften. Das darf mit eingewickelten Händen (was dem Aufwärmen dienlich ist) oder mit Boxhandschuhen gemacht werden, was den Teilnehmern die Chance gibt, sich an deren Gewicht zu gewöhnen.

Du schlägst nicht mehr beliebig, weil du auf den Kerl gegenüber reagieren must. Wenn er schlägt, schlägst du zurück . Wenn er sich bewegt, sollen deine Bewegungen dementsprechend sein. Schlag wenn du Öffnungen siehst, so schlägst du zum ersten Mal spontan im Boxen. Es geht nicht mehr wie am Sandsack.

Gerade Schläge abfangen

Jetzt dürfen die Schattenboxer sich gegenseitig berühren aber ganz ohne Wucht ! Sie bewegen sich innerhalb des Ringes herum, indem sie abwechselnd sehr leicht schlagen. Der erste bewegt sich in irgendeine beliebige Richtung und wirft einen Schlag, den der zweite abfängt. Alles soll ruhig und geschmeidig sein, weil es keine Punkte zu gewinnen gibt. Man soll achten auf Gleichgewicht, Haltung und Form. Das Gleichgewicht ist nicht beim Schlagen oder Verteidigungen zu verlieren.

Ich bitte nochmals um leichtes Schlagen : alle “Raketenschüsse“ sind untersagt ! Die beiden Teilnehmer müssen auf Armeslänge voneinander bleiben. Sie haben nur das Ziel, sich daran zu gewöhnen, leichte Schläge abzufangen und sich dagegen zu verteidigen. Das Ziel ist gar nicht, Schläge zu landen, weil die zu hart sind, das Auffangen zu ermöglichen.

Die 5-Schläge Übung

Diese geht abwechselnd wie schon zuvor, aber diesmal schlägt jeder Boxer fünfmal, bevor sein Partner das Gleiche macht. Nun kann man ein bisschen schöpferisch bei Schlagen und Verteidigung sein. Man soll merken, dass der Kopf nicht das einzige Ziel ist. Es darf auf den Körper, auf die Brust, auf die Schultern oder auf die Ellenbogen geschlagen werden. Die fünf Schläge dürfen beliebig gestossen werden, z.B. drei schneller Schläge können auf zwei langsame Schläge folgen, oder alle fünf können auf einmal kommen. Ständig auf Armeslänge bleiben.

Der Verteidiger darf Schläge vermeiden, ganz wie er will. Er kann mit der rechten Hand oder dem rechten Arm stoppen oder er kann einfach parrieren. Er kann auch ausser Reichweite gehen, damit der Angreifer danebenschlägt. Statt aus der Schlagbahn eines möglichen Treffers mit schlechtem Gleichgewicht zu springen, soll er auch die Fähigkeit lernen, sich in und ausser Reichweite kühl zu bewegen, was jedem Boxer sehr nützlich ist.

Eine sehr gute Variante : zwei Schläge schnell nacheinander (eine “Doublette”), anstatt fünf Schläge nacheinander zu werfen, d.h. die Boxer greifen sich abwechselnd mit Doubletten an. Der Verteidiger muss den ersten Schlag abfangen und den zweiten mittels einiger Vermeidungsbewegungen ausmanövrieren.

1 – 2’s (maximal drei Schläge)

Hier dürfen die Boxer zum erstenmal die rechte zusammen mit der linken Hand zur Bildung von Schlagfolgen mit höchstens drei Schlägen verwenden. Die Boxer versuchen es abwechselnd mit so einer Schlagserie auszuspielen, die rechte Hand beliebig inbegriffen (Haken und Aufwärtshaken verboten !) Der Verteidiger darf nicht kontern, nur stoppen. So werden die zwei Boxer allmählich gegen harte Treffer mit der rechten Hand ins Gesicht oder am Körper abgehärtet (aber sanft vorgehen !)

 

Bedingtes Sparring

Jab Sparring

Jetzt wird den Boxern eine Art freies Sparring erlaubt aber nur mit der linken Gerade (‚Jab‘). Keine “Raketenschüsse“, bitte ! Die Boxer brauchen nicht mehr abwechselnd hin und her zu gehen. Angreifen oder verteidigen dürfen sie beliebig.

Acht auf gute Form und gutes Gleichgewicht geben ! Und Vorsicht ! Die hintere Hand beim Schlagen nicht fallen lassen. Linke und rechte Geraden mit geraden Konterschlägen im Angriff oder in der Verteidigung benützen. Bitte, merken ! Es darf nicht immer auf den Kopf gezielt werden. Der Körper und die Deckung müssen auch probiert werden.

1-2 Sparring

Das heisst, sehr leichtes Sparring mit geraden Schlägen und Cross-Schlägen mit 25% Kraft. Was bedeutet “25%” Kraft ? Wie ist sie zu messen ? Jetzt mache ich alles klar. Ein Schlag mit der korrekten Wucht darf nicht schmerzhaft sein, auch wenn er mitten ins Gesicht landet. Er muss auch ohne Geräusch landen, sonst ist er zu hart. Ein Trainer sollte immer dabei sein, um die Runde sofort abzubrechen und ein langsameres Tempo zu verlangen.

In dieser Übung, geht es um Angreifen. Das heisst, mehr schlagen als sich innerhalb der Reichweite bewegen. Die Boxer müssen in der Reichweite bleiben. Sie dürfen nicht hinaus- oder hineinspringen. Macht ein Boxer sich die Augen zu oder zuckt er vor Schlägen zurück, so ist es dem guten Trainer unmissverständlich, dass das Tempo zu schnell geht. Manchen Boxern in den Anfängstufen eines Boxtrainings ist ein langsameres Tempo eine totale Frust. Sie fühlen sich als ob sie in einer Zeitlupe kämpfen. Doch muss es so sein ! Auf diese Weise, können Anfänger genau sehen, was ein Gegner wirklich macht. Boxer müssen durch die Augen lernen und nicht bloss aus dem Kopf kämpfen oder Schläge im voraus abducken.

1-2-3 Sparring

Es geht wie beim 1 – 2 Sparring, aber nun kommen den Geraden und den Cross-Schlägen die Haken hinzu. Alles muss sehr leicht gemacht werden und nur mit 25% Kraft.

Sparring mit allen Schlägen und Verteidigungen

Alle Schläge sind erlaubt, d.h. linke und rechte Geraden, Cross-Schläge, Haken und Aufwärtshaken samt Blöcken und Paraden – alle müssen im mässigen Tempo mit 25% Kraft angewandt werden. Schnelle Angriffe und schnelle Abwehr – die sind alle verboten. Vor Schlägen darf kein Boxer zurückzucken oder den Kopf ruckartig aus der Bahn eines Treffers oder aus der Reichweite des Gegners reissen. Wenn ein Schlag eine Verteidigung durchbricht, würde ich dem Getroffenen raten, ihn ins Gesicht oder an den Körper aufzunehmen (was nicht allzu schmerzhaft sein sollte).

Vorsicht ! Häufiges, ruckartiges Blockieren kann auch eine Art Zurückzucken sein. Es ist zu verhindern, dass beim Sparring der eine Boxer schneller als der andere geht. Ein Wettbewerb wird bald in ein Machtspiel übergehen, was in lauter Schlägerei enden kann.

Langsam gehen ist der richtige Weg, Anfänger in das Sparring einzuarbeiten, weil es ihnen die Chance gewährt, schon gelernte Technik zu üben und nicht in eine Keilerei zu geraten, in der sie sich bemühen, sich gegenseitig zu zerstören.

Was lässt man daraus erkennen, dass Boxer beim Sparring zu schnell oder zu hart gehen ?

Die Boxer schlagen zu hart.

  • Wenn die Schläge sich beim Landen wie Kläpse anhören, versteht das sich von selbst. Die Runde muss unmittelbar angehalten werden.

Die Boxer zucken zurück (oder sie machen die Augen zu).

  • Zurückzucken ist keine gute Taktik. Kämpfen mit geschlossenen Augen heisst wehrlos kämpfen, wenn die ankommenden Schläge nicht gesehen werden können. Man muss darauf achten, dass das richtige Tempo angegeben wird, damit die Boxer die Augen offenhalten und nicht im voraus zurückzucken. Der Trainer muss wiederholt dazwischenkommen um das Tempo zu regulieren,damit die Boxer wahrnehmen können, was eigentlich gerade vor ihnen geschieht. Eine gute Taktik um das Zurückzucken zu beseitigen, ist alle trickreichen Handlungen zu verbieten. Die Boxer sollen grundlegenden Schlagfolgen benützen, d.h. viele linke Geraden zusammen mit einigen rechten Geraden. Bekloppte Aufwärtshaken und das Ausspielen mit tolkühnen Schwingern auf Armeslänge sind absolut unerwünscht !

Die Bewegungen der Boxer sehen panisch aus.

  • Dies ist eine Art Zurückzucken aber mit dem ganzen Körper statt mit den Augen allein. Die Anzeichen der panischen Bewegungen lauten so : der Boxer reisst den Kopf mit einem Ruck zurück, um einen Schlag zu vermeiden, oder er versucht es, einen angreifenden Boxhandschuh mit einem flüchtigen Klaps aus dem Wege zu fegen. Dies muss kontrolliert werden. Die Schläge, die unbemerkt landen, sollen unbeachtet bleiben. Der Boxer muss sie einfach hinnehmen. Er soll sich auf die darauffolgenden Schläge konzentrieren, die gefährlicher sein könnten. Er soll möglichst viel Schläge blockieren oder vermeiden, aber er soll die Treffer aufnehmen, egal wie hart sie auch sein mögen. Man muss nicht allen Schlägen durch Kläpse oder Manöver nachgehen.

Die Boxer laufen mehr herum als schlagen im Ring.

  • Der Grund dafür soll eigentlich die Wahrscheinlichkeit sein, dass die Boxer zu schnell oder zu hart gehen. Sie wollen nicht aufeinander reagieren. Sie werden nie an das Sparring gewöhnt sein, wenn sie nicht zusammenarbeiten. Um das zu begünstigen, müssen sie im Aktionsradius bleiben und mit Schlagserien kämpfen. Das Sparring soll so leicht sein, dass sie die Treffer mitten in einer Serie hinnehmen können, ohne dass sie erschüttert oder verletzt werden.

Die Boxer werden müde.

  • Boxer, die müde oder verletzt werden, kämpfen zu hart. Ein Boxer darf niemals Angst vor dem Sparring haben. Er soll Manns genug sein, sich vielleicht in einer Turnhalle voll mit lautstarkem Machismo zu getrauen, das Tempo zu verlangen, das Freude an 8 bis 10 Runden Sparring ermöglicht. Selbst an den Tagen, an denen ich müde bin, kann ich mit dem richtigen Tempo 15 Runden gehen und meine Technik verbessern. Ab und zu kann ich das Tempo nachlassen und mein Partner stimmt damit zu.

Das Training am Sandsack und mit den Handpolstern (Pratzen) bringt allein eine Verbesserung der Technik.
Das Training im Ring bringt die wirklichen Fähigkeiten eines echten Boxers hervor.

Je mehr ein Mann im Ring trainiert, desto schneller wird er zu einem guten Boxer, was nur möglich bei einem Tempo ist, das ihn nicht am Ende in einem erschöpften Zustand lässt. Dumme Leute verbringen zwei Stunden am Sandsack und dann nach zwei Runden im Ring ist es aus mit dem Benzin bei ihnen. Das heisst nur neun Minuten für die Entwicklung der wichtigen kämpferischen Fertigkeiten. Dann zerbrechen sie sich den Kopf über ihren ausbleibenden Fortschritt. Schade darum ! Das ist das unglücklichste Ergebnis eines fehlgesteuerten Boxtrainings, was vielerorts zu finden ist.

Ein gutes Training ist nicht durch Müdigkeit zu verderben.

Die Boxer haben keine Freude mehr daran.

  • Freude am Sparring verlieren heisst Freude am Boxen verlieren. Das Sparring ist das Trainingsmittel, das dem Kämpfen am nächsten kommt und das Kämpfen ist am herzen dieser Sportart. Alle Boxer müssen das Sparring unbedingt lieben. Heisst das Sparring siegen und sich knallhart zeigen ? Nein ! Das Sparring liegt weit darüber hinaus. Beim Sparring geht es nur um Fähigkeiten, Technik und Spass, alles was am schönen Herzen des Boxens liegt. Das Sparring, lerne es lieben, nicht einfach weil es männlich ist, sondern weil es auch bei Müdigkeit, bei Überlegenheit oder bei einem schlechten Tag immer Spass macht. Die unvermeidliche Voraussetzung dafür ist das Sparring unter streng kontrollierten Zuständen.

 

Die Theorie des kontrollierten Sparrings

Auch erfahrene Boxer gebrauchen kontrolliertes Sparring um ihre Fähigkeiten zum Glänzen zu bringen. Das Sparring ist das Geheimnis hinter ihrem Erfolg. In den besten Turnhallen, die ich je besucht habe, geht es immer sanft beim Sparring zu. Gewiss, die Boxer können manchmals so aussehen als ob sie wirklich aufeinander losgehen. Das ist lauter Anschein ! Diese Männer sind Kämpfer, die sich auf das Sparring verstehen. Sie haben gegenseitiges Vertrauen, dass sie bei jeder vollgezogenen Kampfhandlung ein bisschen zurückziehen und nicht einen gewonnenen Vorteil ausbeuten wollen. Daher mögen sie ab und zu ein bisschen härter oder ein bisschen schneller gehen.

Obwohl sie oft angestrengt sind, bleiben sie gelassen und vollkommen selbstbeherrscht. Ein Boxer dieses Schlags stiftet keine Schlägereien ; er verfolgt seinen Partner nicht bis in die Ringecke ; dort will er niemand verdreschen. Mit schönen Kombinationen, deren Schläge flink ausgewichen werden, kommt geschickte Beinarbeit, die fliessend und gelassen ist aber mit keinem Anzeichen von Panik. Nötigenfalls kann sie schnell sein.

Ich möchte noch einen Grund dazu beitragen, weshalb du nicht zu hart beim Sparring gehen sollst.

Hartes, schelles Sparring bringt frühzeitige Erschöpfung mit sich und eine verringerte
Möglichkeit, die Übungszeit völlig auszunützen.

Denkt daran :- es ist Blödsinn, die ganze Energie durch das Kämpfen um 100% in drei Runden zu vergeuden, statt 10 – 15 Runden mit einem mässigen Tempo im Ring verbringen zu können. Ich wette mit meinem ganzen Vermögen, dass ein Boxer, der in einem Abend 10 – 15 Runden langsam macht um seine Fähigkeiten zu probieren, wird schneller der bessere Boxer werden als einer, der drei Runden mit vollem Gas kämpft und nur seine Fitness probiert. Die Entwicklung der meisten Boxfähigkeiten erfolgt nur durch das Sparring. Sparring heisst üben, nicht bloss kämpfen. Daher ist es notwendig, die möglichst lange Zeit im Ring zu verbringen. Ein erschöpfter Boxer kann nicht die Energie aufbringen, seine Fähigkeiten zu üben. Bald wird das Sparring zu einer Dauerhaftigkeitstraining, was den Fähigkeiten nichts Gutes bringt. Jeder Dummkopf kann mit so einem Training in zwei Monaten fit sein. Gute Boxfähigkeiten müssen jahrelang entwickelt sein.

Nicht im Sparring zu “gewinnen” versuchen !

Sich anstrengen beim Sparring ist gut, aber nicht so hart, dass es unmöglich ist, etwas zu lernen, die Schwäche zu korrigieren und neue Fähigkeiten zu erwerben. Boxen ist Kämpfen, daher müssen Boxer sich allmählich an das Kämpfen gewöhnen. Man kann das Sparring als “Kämpfen ohne Gewinner” bezeichnen. Ein Anfänger kann der Versuchung erliegen, mit lauter Gewalt zu kämpfen, nur um zu “gewinnen”. Er verlässt sich auf Körpergrösse, Dauerhaftigkeit, lauter Stärke oder eine harte rechte Hand. Auf diese Weise zu gewinnen, nützt ihm nichts ; nach dem Sparring bleibt er ebenso schlecht wie zuvor.

Beim Sparring immer auf KO-Schläge verzichten. Ein Gegner, der dadurch aufhören muss, bedeutet Runden, die dem überlegenen Boxer zu leicht sind. Er verpasst die Gelegenheit seine höheren Fähigkeiten aufzubauen. Er hätte ebensogut am Sandsack bleiben sollen. Wer dem unterlegenen Boxer die Chance erlaubt, mitzumachen, bekommt ein besseres Training. Das Boxen kann zu einem Tanz werden, indem die beiden Boxer mit den am unterschiedlichsten Schlägen und Bewegungen zu sich Vertrauen fassen. Man will einen Boxer haben, der seine Fähigkeiten aufbauen kann um seinen Partner besser testen zu können. Der überlegene Boxer muss ihm die Gelegenheit geben, zurückzukämpfen.

Es ist am schlechtesten beim Sparring, wenn der Mut eines Boxers durch einen Prügel auf immer gebrochen wird. Das könnte in einem Rocky-Film kühl aussehen, aber in der Turnhalle mit einer wirklichen Person ist es entsetzlich ! Als ich ein Fratz war, wollte ich all meine Gegner zerschlagen. Ich zwang viele junge Kämpfer, mit dem Boxen aufzuhören. Vielleicht liebten sie den Sport aber meinetwegen hatten sie wenig Spass im Ring. Sie erschienen nie wieder in der Turnhalle. Warum war ich des Teufels ? Was fehlte mir ? Gewiss, das Boxen ist nicht jedermanns Sache ; trotzdem glaube ich, dass ich Schuld daran habe, dass manch ein Mensch vollkommen auf das Boxen verzichtete. Heute weigere ich mich, mich mit einem Partner im Ring zu hauen. Heute bin ich stolz darauf, dass ich aus der Dummheit der Jugendzeit herausgewachsen bin. Heute schlage ich NIE mit über 75% Kraft. 100% ist mir ganz unnötig, was merkwürdig ist. Ein Typ der seinen Partner verprügelt, trainiert feige. Was freut ihn unheimlich, ist ständig schwächere Gegner zu finden.

Stell dir mal vor. Ein Boxer liegt weit unterlegen. Na, und ? Ist sein Gegner ein Schuft, der ihn nur KO-schlagen will ? Wer im Sparring KO-schlägt, ist ein Feigling, aber der Geschlagene muss für seine eigene Sicherheit eintreten, da es an ihm liegt, sich vor schlechter Behandlung zu schützen. Er muss dem Gegner oder dem Trainer sagen, “Es geht mir zu schnell (oder es ist mir zu hart). Man lässt mir keine Gelegenheit, auf Technik zu arbeiten”. Falls der Gegner und der Trainer ihn nicht beachten, muss er sofort aus dem Ring heraus ! Er ist für sich allein verantwortlich. Er ist niemandem schuldig, sich einen Prügel einzustecken. Es geht um seine Gesundheit und um gute Erfahrungen in diesem Sport. Er muss zeigen, dass er ein Mann ist, der die Grenzen seiner Fähigkeiten erkennt, der sich aber falsch gerichtetem Sparring, schlechtern Trainern und bösen Gegnern gegenüber behaupten kann, der sich nicht fürchtet, verlacht zu werden.

Das Sparring bietet dem Boxer und seinem Gegner die Gelegenheit sich gegenseitig zu helfen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Sie sollen echte Boxhandlungen in einem echten Boxermilieu üben, das sie davon abhält, sich zu dreschen. Wenn ein Boxer beim Sparring immer einen Anfänger mit geschlossenen Augen zurückzuweichen zwingt, lernen die beiden nichts. Sie sollen die Gelegenheit nützen, mitzumachen und zusammenzuarbeiten. Sie sollen sich gegenseitig dazu verhelfen, die Bestmöglichen zu werden. Die Einstellung, dass “gewinnen” ist alles, gehört nur zum Wettbewerb.

Die Boxer in vielen Turnhallen haben keine Geduld mit langsamem Sparring ; daher muss der Anfänger sich sorgfältig einen Partner suchen, der mit ihm langsam arbeiten will. Allmählich wird er dazu fähig werden, schneller zu boxen. Daraus wird auch ein Rhythmus kommen. Jeder Kampf soll einen Rhythmus haben. Eine sehr gute Übung ist es, sich daran zu gewöhnen, ein bis zwei Stunden beim Sparring ohne Pause im Ring zu verbringen. Man sollte bei jedem Besuch in der Turnhalle mindestens an einer Stunde leichtes Sparring teilnehmen (anfangs mit linken und rechten Geraden). Das muss langsam geschehen. Langsames Sparring verbessert auch die Reflexbewegungen, da die Boxer jede Einzelheit der Kampfhandlungen genau beobachten. Sie können nicht lernen, darauf zu reagieren, was sie nie gesehen haben, weil alles zu schnell geht. Langsames Sparring prägt auch die Erinnerung der korrekten Bewegungen in die Muskeln ein.

Wenn der Blick eines Boxers zu oft von dem Ziel wandert, ist es ein Anzeichen dafür, dass das Sparring zu schnell geht, dass er übergerannt wird. Man sollte so langsam gehen, dass es möglich ist, einen Gegner ohne Unterbrechung anzustarren.

Kopfweh ist ein sehr wichtiges Anzeichen dafür, dass das Sparring zu hart ist!